• Berlin Zehlendorf

Statement zur Ausbremsung des Pilotprojekts für Berlin „Kastration/Sterilisation der Berliner Waschbären“

Wie ihr sicherlich in den Medien gehört oder gelesen habt, wird unsere wissenschaftliche Studie zur Kastration/Sterilisation der Berliner Waschbären derzeit – entgegen aller Zusagen – plötzlich durch Akteure im Berliner Senat mittels fadenscheiniger, widerlegbarer Begründungen ausgebremst. Hier könnt ihr den gestern erschienen Artikel zum Thema in der taz nachlesen.

Die Ausgangssituation

Waschbären wurden vor 100 Jahren wegen ihres Pelzes aus Nordamerika eingeführt und haben sich inzwischen in unserer Fauna einen eigenen Lebensraum geschaffen. Es ist unstrittig, dass wir lernen müssen, mit ihnen zu leben – eine Ausrottung ist auch nach Ansicht des Deutschen Jagdverbandes nicht mehr möglich. Wir arbeiten für den einzig zielführenden und humanen Umgang mit diesen Wildtieren. In Berlin wird die Zahl der Waschbären auf 1.000 bis 2.000 Tiere geschätzt.

Warum nicht einfach die Waschbären bejagen?

Das Ziel unserer Arbeit und auch des Pilotprojektes ist, den Waschbärbestand nachhaltig zu reduzieren und damit einen Beitrag zum Artenschutz zu leisten. Damit wollen wir dasselbe wie Hausbesitzer, Gartenbesitzer und Jagdverband: Weniger Waschbären.

ABER dies geht nur auf eine einzige Art. Die tierschutzkonforme Kastration/Sterilisation! Dieses Projekt ist von europaweiter Bedeutung. Ganz nebenbei: Es wird gerne vergessen, dass auch ein als invasiv eingestuftes Tier ein Anrecht auf humane Behandlung hat. Es ist jedoch wissenschaftlich bewiesen, dass die Jagd auf Waschbären, wie sie nun möglicherweise vom Berliner Senat angedacht wird, KEINE zielführende Methode zur Populationsreduzierung ist, sondern sogar zu einer Vermehrung führt:

Waschbären stellen sich nicht in einer Reihe auf und lassen sich erschießen.

Das hat zur Folge, dass das biologische Notfallset, die kompensatorische Fertilität, von Waschbären greift: Hohe Verlustraten werden durch eine vermehrte Fortpflanzung ausglichen. Nicht nur beteiligen sich mehr Weibchen an der Fortpflanzung, sie werden auch deutlich früher geschlechtsreif und gebären mehr Weibchen. In kürzester Zeit ist nicht nur die alte Bestandszahl ausgeglichen, sie steigt sogar weiter an.

Die oft beschrienen Probleme mit Waschbären in Dachböden entstehen fast ausnahmslos in der Brutzeit der Tiere, in der die Mutter sich mit ihren Welpen für einige Wochen in geschützte Räume zurückzieht. Diese Probleme werden durch Bejagung also extrem zunehmen, da Waschbärweibchen ein Leben lang in der Nähe der Mutter verbleiben, während die Männchen abwandern. Mit unserem Ansatz der Kastration/Sterilisation hingegen würden Dachboden-Konflikte nicht nur deutlich reduziert werden, das Wieder-Aussetzen der Tiere hätte auch einen wesentlichen Vorteil für die Bürger:innen:

Ein kastrierter Waschbär besetzt einen Platz, auf den bei Tötung ein nicht-kastrierter Waschbär nachrücken wird.

Handelt es sich hier um ein Weibchen, beginnen die Konflikte von neuem. Mit unserem Projekt jedoch hat die Nachbarschaft bis zum Tod des kastrierten Waschbären Ruhe. (Es ist anzumerken, dass die Klassiker „Dachboden“ und „Gartenlaube“ zwar durchaus auftreten, jedoch nicht in den durch die Medien hochstilisierten Mengen, wie wir anhand unserer Beratungen feststellen.)

Warum wird das Pilotprojekt aktuell politisch ausgebremst?

Für das Pilotprojekt waren eine Reihe von Genehmigungen einzuholen. Letztlich hakt es an nur EINER EINZIGEN Genehmigung: Die Jagdbehörde/Berliner Forsten verweigert uns die zugesagte Genehmigung für das Aufstellen von Lebendfallen im Rahmen der Studie. Aufgrund der kontinuierlichen Zustimmung und Zusicherungen über die letzten zwei Jahre Planung und angesichts der Förderung der abgeschlossenen Vorstudie mit 55.000€ durch den Berliner Senat ist dieser plötzliche Richtungswechsel absolut überraschend. Anfang des Jahres wurde uns am runden Tisch, an dem alle beteiligten Senatsabteilungen teilnahmen, klar kommuniziert, dass nichts gegen die Durchführung dieses Projektes spricht. Umso größer ist das allgemeine Unverständnis über den plötzlichen Sinneswandel.

Noch einmal: Unser Ziel IST die Reduzierung der Zahl der Waschbären in Berlin und damit die Minimierung der Konflikte zwischen Mensch und Waschbär! Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Jagd keine zielführende Methode ist. Nicht nur steigt die Anzahl der Tiere, auch die damit verbundenen Konflikte und Probleme nehmen zu. Wenn es also tatsächlich das Ziel des Berliner Senats ist, die Konflikte zwischen Mensch und Waschbär zu verringern, so müssen wir annehmen, dass die Politiker:innen an dieser Stelle nicht korrekt über die Biologie der Tierart Waschbär aufgeklärt wurden. Wir sind gerne bereit, erneut im Berliner Abgeordnetenhaus zu sprechen und über die Forschungslage zu informieren. Gerne tun wir dies auch vor dem Berliner Jagdverband.

Hauptsache Waschbär möchte Konflikte zwischen Mensch und Waschbär minimieren, Vermögensschäden und Tierleid reduzieren und verhindern, dass Steuergelder sinnlos verprasst und tierschutzwidrig ausgegeben werden.

Wir sind zuversichtlich, dass die politischen Entscheidungsträger:innen wissenschaftliche Fakten und das Wohl ihrer Bürger:innen den möglichen Eigeninteressen einzelner Akteure vorziehen und mit uns gemeinsam das Pilotprojekt für Berlin „Kastration/Sterilisation der Berliner Waschbären“ in die Wege leiten.

Denn alle – Bürger:innen, Senat, Jägerschaft und auch wir – wollen dasselbe: Die Reduzierung der Anzahl der Waschbären. Der Unterschied ist nur: Wir wollen einen humanen und zielführenden Weg gehen.

Wer sind wir eigentlich? 

Hauptsache Waschbär ist ein hochqualifiziertes Team mit einer allgemein anerkannten Expertise auf dem Gebiet Umgang mit Waschbären. Unser Team besteht aus Tiermediziner:innen, tiermedizinischen Fachangestellten, Studierenden der Tiermedizin, Biolog:innen , Geograph:innen und anderen Expert:innen sowie einer Reihe von sehr erfahrenen ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Aufgrund unserer Expertise und unseres Einsatzes sind wir zur zentralen Anlaufstelle für Waschbärfragen im deutschsprachigen Raum geworden. Unser Projekt hat europaweit Beachtung gefunden. Für unsere Arbeit wurden wir mit dem Deutschen Tierschutzpreis 2023 Kategorie Wildtierhilfe und mit dem Tierschutzpreis des Landes Berlin 2023 ausgezeichnet.

Neben unserem Pilotprojekt besteht die Kernarbeit unseres Vereins in der medizinischen Versorgung von verunglückten oder kranken Waschbären in unserer Tierarztpraxis für Waschbären. Wir beraten vor Ort und helfen über unsere Waschbär-Hotline. In unserer Begegnungsstätte bauen wir Vorurteile ab und räumen mit Missverständnissen und Fehlinformationen über diese Tierart auf. In Schulen und Kitas leisten wir pädagogische Arbeit. Außerdem sind wir regelmäßig in Regionalkonferenzen der Biologielehrer zu Gast. Unsere eigene Fachbibliothek zum Thema Waschbär umfasst mittlerweile über 1.200 Quellen. Details zu unserer Arbeit könnt ihr unserer Broschüre entnehmen.

Euer Team Hauptsache Waschbär e.V.